Minka

Minka ist eine recht eigenwillige Katzendame, die nach eigenen Regeln lebt und sich in keiner Weise vorschreiben lässt, was sich gehört oder auch nicht. Das bringt ihr natürlich nicht nur Freunde ein. Unter ihresgleichen nimmt sie manchen Kampf auf, der nicht immer zu ihren Gunsten verläuft. Verletzte Pfoten, Bisse auf dem Rücken und Kratzer über der Nase sind bei ihr an der Tagesordnung, wenngleich sie ihr Revier erfolgreich verteidigt.

Ihr Fauchen flößt nicht nur anderen Katzen Respekt ein, sondern auch großen, kräftigen Katern. Wenn sich ihre Nacken- und Schwanzhaare sträuben, ist unverzüglich Gefahr im Anzug, und alles pelzige mit vier Beinen nimmt flugs Reißaus.

Ganz anders verhält sie sich bei den Zweibeinern, sprich Menschen. Hier reagiert Minka wesentlich sensibler.

Hat sie doch das Erlebnis mit Nachbars Erdklumpen noch in allerbester Erinnerung. Wie von der Tarantel gestochen, verließ sie damals das fremde Grundstück.

Aber es ist ja so schön, durch anderer Leute Beete zu streifen, dabei Salatblätter zu zertreten, Blumenstängel umzuknicken, Mäuschen auf dem Rasen zu vertilgen und dann das Schlimmste,  eigentlich will Minka das gar nicht erwähnt wissen,  Geschäfte zu verrichten.

Sehr zum Verdruss des Hauseigentümers.

Aber Minka möchte natürlich ihren eigenen Garten sauber halten. Also sucht sie zwangsläufig Ausweichquartiere.

Die Essensreste räumt sie freilich auch nicht weg. Das Fell der Maus und Knochenreste bleiben als Zeugnis an ein genüssliches Mahl zurück.

Manchmal verfällt sie auf die Idee, eine Maus nicht direkt zu verspeisen, sondern diese voller Stolz ihren sie liebenden Menschen zu zeigen. Doch anstelle von Lob über die großartige Trophäe, erntet sie sogar bei diesen vertrauten Personen erbitterte Ablehnung.

Sie muss sich dann gefallen lassen, auf nicht angenehme Art vom eigenen Territorium vertrieben zu werden. Doch sie nimmt es gelassen. Mit eingekniffenem Schwanz und beleidigter Miene ergreift sie das Weite, denkt aber bei sich:

Wart' s ab! Ich komme wieder!

Klar! Der Mensch hat seinem Ärger einmal Luft gemacht. Aber es berührt sie kaum. Es belustigt sie vielmehr. Und durch eine Lücke im Gartenzaun ist Minka flugs in ihr Revier wieder eingekehrt. Geschützt von dichten Sträuchern ruht sie hier lang und ausgiebig aus, sicher vor den Zugriffen des Zweibeiners.

Sie würde ja vielleicht im eigenen Garten für immer verweilen.

Wenn da nur nicht nebenan das reizvolle Vogelhäuschen stünde. Mitten auf Nachbars Rasen.

Herrlich von der Sonne beschienen. Ein toller Beobachtungsposten. Gerade genug Platz, um sich bequem zusammenzurollen und einen erholsamen Mittagsschlaf in der Frühlingssonne zu halten.

An manchen Tagen hat sie schon die Vögel beobachtet, die sich dort ihr Futter holen.

Vorsichtig hatte sie sich angeschlichen, sich jedoch zu weit vorgewagt, und war gleich darauf durch einen schrillen Pfiff des Zweibeiners verscheucht worden.

Doch eines Tages gelingt es ihr tatsächlich, Position zu beziehen. In aller Ruhe rollt sie sich im Vogelhäuschen zusammen, kneift die Augen zu und legt den Kopf gemütlich auf ihre Pfoten. Die Sonne scheint ihr angenehm warm auf den Pelz.

Mit leisem, behaglichen Schnurren schläft Minka ein.

Doch das dreiste Luder hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Der 'katzenfreundliche' Nachbar hat nur auf solch eine Gelegenheit gewartet. Wusste er doch nur zu gut, dass die Vögel nach dem Besuch der Katze das Häuschen niemals mehr aufsuchen würden. Diesem Katzenvieh wollte er es heimzahlen.

Kurz entschlossen schnappt er sich seinen Gartenschlauch und zielt voll auf Minka. Sie ist total verdutzt und will unwillkürlich aufspringen. Dabei stößt sie hörbar mit ihrem Kopf gegen das Dach des Vogelhäuschens. Benommen vor Schmerz torkelt sie mehr zu Boden, als dass sie springt. Mit leicht hinkender rechter Hinterpfote erreicht sie den Gartenzaun. Beim Überqueren dieses letzten Hindernisses wird sie noch einmal heftig vom Wasserstrahl des Gartenschlauches erwischt. Zu allem Überfluss muss sie noch Zorn schnaubende Worte über sich ergehen lassen. Obwohl sie quietsch nass ist und Nässe an ihrem Körper um alles in der Welt nicht ausstehen kann, verzeiht sie es sich nicht, sich gerade von diesem Menschen verjagt haben zu lassen. Die Worte "Du blödes Vieh, jetzt hab ich dich endlich erwischt, und du sollst so nass werden, dass du mich niemals mehr vergisst", verletzen ihr Selbstwertgefühl sehr.

Sie ist kein blödes Vieh. Im Gegenteil. Sie nimmt es mit jedem Kater auf. Und als schönste Katze empfindet sie sich auch weit und breit.

Verstohlen verkriecht sich Minka unter den heimischen Sträuchern und lässt sich an dem Tag nicht mehr blicken. Aber diese Bedücktheit währt nicht lange.

Schon am nächsten Tag sollte ein prächtiger Kater im schönsten Konzert mitten in der Nacht um sie werben. Und wo? Direkt unter dem Schlafzimmerfenster des Menschen, der sie so gekränkt hat.

Sie weiß nicht, was schöner ist: Das Gefühl, von einem Kater ihrer Träume begehrt zu werden, oder sich vorzustellen, wie wütend der Katzenhasser jetzt sein musste.

Das bin ich, Minka! Wer zuletzt lacht ...!!!

 

© Helga Salfer