Kater Charly

 

Mein erster Ausgang

 

 

Foto vom 26.10.05

Endlich darf ich mit Mohrle und Minka raus!

Ihr staunt sicher und dies mit Recht - ich sollte ja anfangs vierzehn Tage
 im Haus bleiben.

Warum jetzt doch nicht?

Na, ich hab ein wenig nachgeholfen.

Wie?

Nun, was macht man, wenn man etwas unbedingt will und jemand versperrt
einem den Weg?

Ignorieren!

Genau das hab ich gemacht.

Am späten Abend, nachdem die Katzendamen längst draußen waren, habe
ich meinen Menschen
gezeigt, was in mir steckt.

Wie ein Wildfang bin ich durchs Wohnzimmer gerannt, bin rücksichtslos auf Tische
und Schränke gesprungen, habe mich in offenen Regalen hinter Büchern
 frech versteckt und mich ganz dreist neben den Videorekorder gelegt.
 

 

Sobald meine Menschen sich mir näherten habe ich geknurrt, meine Krallen
rausgestreckt und sie mit meinen großen Augen angefunkelt. Das hat sie dann
abgeschreckt und sie wichen zurück.

Ich weiß nicht mehr wie lange ich das durchhielt, aber lange genug, um meine
Dosenöffner auf die Palme zu bringen. Ihr Entsetzen über mein rüpelhaftes
Verhalten stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Hab mich köstlich dabei amüsiert.

Du bist gut, Charly, lobte ich mich selber. Du schaffst es, sie lassen dich heute
Abend noch ins Freie, halt noch ein bisschen durch.
Insgeheim rieb ich mir die Pfoten, glaubte mich kurz vor dem Sieg.

Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Meinen Menschen reichte es nun, sie wollten schlafen gehen. Meine Theatervorstellung
war beendet und mein Stimmungsbarometer sank in den Keller, in welchen sie mich
nun für die Nacht kurzerhand einschlossen. Ein bisschen sauer auf mich waren sie auf
jeden Fall, aber es reichte nicht für einen Rausschmiss. Da musste ich noch einen draufsetzen.

Zuerst einmal sprang ich auf die Türklinke, um meine Dosenöffner nochmals mit viel Krach
und Radau zu nerven. Nutzte nichts, sie überhörten es einfach, so schien es mir.

Wenig später entdeckte ich die Katzenklappe, die von der Kellertreppe unmittelbar ins
Wohnzimmer führt. Sie war tatsächlich offen, so gelangte ich problemlos zurück ins Wohnzimmer.

Nun war alles ein Kinderspiel.

Mit freudig aufgerichtetem Schwanz stolzierte ich siegessicher durchs Wohnzimmer.

Ich wusste jetzt genau, was ich zu tun hatte. Mein Ziel, die große Freiheit, rückte
wieder in greifbare Nähe.

Blitzschnell lief ich die Treppe hinauf ins Badezimmer, wo Herrchen sich gerade wusch.

Ehe er sich's versah, saß ich in der Badewanne und schaute ihn erwartungsvoll mit
unschuldigem Blick an. Meine Augen waren weit aufgerissen. Ich weiß um die Wirkung,
 die dieser Blick von mir bei Menschen auslöst, sie können mir dann einfach nicht böse sein.

Es gelang mir so, mein Herrchen zum Spielen mit mir zu verleiten. Aber dann war er zu
müde und wollte unbedingt schlafen.

Erneut wurde ich gepackt und durfte dann aber im Wohnzimmer bleiben, weil Herrchen
Ruhe haben wollte. Ich sollte nicht wieder auf die Türklinke springen, an der Tür kratzen
und und und ...

Brav legte ich mich auf den Teppich, den Kopf auf den Pfoten liegend, und täuschte
entsetzliche Müdigkeit vor.

Mein Herrchen schmunzelte zufrieden, ich auch, als er wieder nach oben verschwunden war.

Nun wollte ich zum letzten Schlag ausholen. Wenn es mir nun nicht gelang, war ich
mit meiner Katzenweisheit am Ende, aber völlig.

Ich rappelte mich auf und lief wieder zügig die Treppe hoch. Vor der Schlafzimmertür
 meiner Menschen sprang ich hoch und landete genau mit den Vorderpfoten auf der
Türklinke, die ich erfolgreich herunter drückte.

Schwupps schlüpfte ich durch den schmalen Türspalt hindurch und lief leise miauend
durchs Zimmer.

Natürlich wurde ich sofort bemerkt, zum Glück! Zu meiner Freude hörte ich an ihren
 Stimmen, wie wenig Begeisterung mein Auftritt bei ihnen hervor rief.

Na endlich, reicht es euch nun bald, ging es mir durch den Katerkopf.

Also jetzt ist Schluss, Charly, schimpfte Herrchen, mach, dass du ganz schnell nach
unten kommst. So geht das nicht, mein Kerlchen. Das gibt es nicht, merk dir das, Charly.

Ich machte keine Anstalten zu gehen, nein. Herrchen sollte aufstehen und mich
wieder hinunter bringen müssen.

Charly, meinte er nun in schärferem Ton, ab mit dir, nun ist es gut. Komm, wir wollen
alle schlafen, auch du.

Ich sah ihn daraufhin ganz groß an.

Mensch, Charly, stöhnte Herrchen, und warf die Bettdecke zurück. Er schwang die Beine
 aus dem Bett und stapfte auf mich zu.

Als er mich gerade packen wollte, lief ich aus dem Zimmer und eilte die Treppe hinab.

Ich hörte noch, wie die Schlafzimmertüre wieder geschlossen wurde.

Nun war es vorbei - ich hatte meine letzte Chance verspielt.

 

Resigniert verfiel ich in einen unruhigen Katzenschlaf und war schon früh am Morgen wieder
 wach, als Herrchen zur Arbeit ging.

Wenig später dann, als Frauchen aufstand und mir ganz unerwartet die Terrassentüre
öffnete, damit ich hinaus laufen konnte, schlug mein Katerherz wie wild vor Freude.

 

So hatte meine Unermüdlichkeit mich doch ans Ziel meiner Träume gebracht.

Meine Dosenöffner waren mir überhaupt nicht mehr böse, und ich bin nun ein total
glücklicher Kater.

Euer Charly.

Und das nach acht Tagen im neuen Zuhause!

© Helga Salfer